Liebe Irina,
vielen Dank für Deinen Brief, über den ich mich sehr gefreut habe. Ich freue mich auch, dass Du so viel Interesse zeigst, was ich alles in Deutschland erlebe. Gerne werde ich auch in diesem Brief Deine Fragen beantworten.
Du fragst mich, wie wir unsere Hochzeit gefeiert haben? Na ja, nachdem ich alle für die Heirat ntigen Papiere bekommen hatte, fuhr ich glücklich nach Deutschland. Ich dachte, jetzt sei die Sache fast erledigt. In Deutschland hatten wir aber denselben Papierkrieg[1]. Zuerst mussten wir im Standesamt[2] alle Unterlagen mit unzhligen bersetzungen vorlegen. Sie wurden zum Oberlandesgericht[3] geschickt. Nach drei Wochen kam dann die Antwort, dass wir heiraten dürfen.
In Wei zum Standesamt?
Dann aber entstand bei mir die Frage, ob ich in wei heiraten soll oder nicht. Du fragst dich vielleicht, warum denn nicht in Wei? Kirchlich heiratet man normalerweise natürlich in Wei und die Leute ziehen sich festlich an, aber auf die standesamtliche Hochzeit wird nicht so viel Wert gelegt.
Von dem Standesamt war ich etwas enttuscht. Es ist gar nicht so romantisch wie in Russland. Du weit ja, in Russland heit es sogar Palast“, der innen und auen so toll aussieht. Als wir aus dem schn geschmücktem Auto ausstiegen (nach der besten russischen Tradition), sah ich ein graues einstckiges Gebude - das Standesamt. Die Garagen und Mülltonnen[4], die daneben standen, sollten wohl eine feierliche Atmosphre schaffen…. Ich habe aber gehrt, dass es in den greren Stdten schon etwas schner aussehen soll.
Wir kamen zum verabredeten Termin in wunderschner Hochzeitskleidung. Zuerst mussten wir im Korridor warten, da der Standesbeamte beschftigt war. Vergeblich habe ich auf den Hochzeitsmarsch von Mendelssohn-Bartholdy gewartet. Dann mussten wir ins Rathaus nebenan. Dort gibt es ein Trauzimmer. Der Standesbeamte machte schne Worte über selbstlose Liebe und Vergebung, und dann war es endlich soweit: Wir gaben uns das Ja-Wort. Danach fuhren wir in ein griechisches Restaurant und haben dort im engsten[5] Familien- und Freudenkreis schn gefeiert.
Die kirchliche Heirat
Wenn man kirchlich heiraten will, muss man einen Termin mit dem Pastor bzw. Pfarrer vereinbaren[6]. Wie es in der Kirche luft, hast Du bestimmt schon in Filmen gesehen. Nach der kirchlichen Hochzeit wird gefeiert. brigens knnen die Deutschen nicht so gut feiern wie die Russen. Man bereitet sich mindestens ein halbes Jahr auf den Hochzeitstag vor, und oft wird man schon von den Vorbereitungen müde. Es soll ja alles perfekt sein. Manchmal staunen sie sogar, wenn sie sehen, mit welchem Aufwand[7] die Sptaussiedler aus Russland und Kasachstan ihre Geburtstage feiern. Aber das ist schon ein anderes Thema.
Bei uns passierte alles ziemlich spontan. Nachdem wir in Deutschland standesamtlich geheiratet hatten, flogen wir nach Russland und heirateten dort kirchlich. Aber das weit du ja auch. Ich hoffe, es hat Dir gefallen. Für uns war es halt[8] sehr wichtig, vor Gott unser Ja“ zu geben. Gott hat die erste Familie gestiftet und wir wollten, dass Er auch unseren gemeinsamen Lebensweg seg.
Es ist eigentlich schade, dass es heutzutage viele Lebensgemeinschaften gibt, die gar keine Ehen mehr sind. Denn in der Familie, wie sie Gott geplant hat, muss man auch Verantwortung übernehmen, vergeben und dem Partner treu bleiben. Da aber heutzutage viele Menschen unfhig geworden sind, Bindungen einzugehen, sind solche unverbindliche Lebensgemeinschaften sehr beliebt. Wie gut, dass Gott uns helfen kann, eine erfüllte und glückliche Ehe zu führen.
Also, ich wünsche Dir viel Kraft und Gesundheit, bis wir uns wieder schreiben.
Deine Elena
[1] der Papierkrieg: ein langer (und oft lstiger) Briefwechsel mit einer Behrde o..
[2] das Standesamt: die Behrde, vor der man die Ehe schliet und bei der man Geburten und Todesflle meldet
[3] das Oberlandesgericht: oberes Gericht der Lnder in der Bundesrepublik Deutschland
[4] die Mülltonne: ein groer Behlter für Abflle
[5] im engsten Familienkreis: nur mit den Mitgliedern der Familie
[6] etwas vereinbaren: zwei oder mehrere Personen beschlieen, etwas Bestimmtes zu tun:
[7] der Aufwand: alles, was eingesetzt oder verwendet wird, um ein Ziel zu erreichen oder um einen Plan zu realisieren
[8] halt: (gespr.; südd.) verwendet, um zu betonen, dass an einer Tatsache nichts gendert werden kann - eben, nun mal